Longevity und HRV – Länger leben mit der Herzratenvariabilität

Wenn Stress das Altern fördert, lohnt sich ein Blick auf die HRV und ihre Relevanz für ein langes Leben: was genau hat Altwerden mit unserer Belastungsfähigkeit zu tun?
Longevity und HRV
Inhaltsverzeichnis

Longevity: Trend oder Mythos?

Die Sehnsucht nach Langlebigkeit ist keine neue Entwicklung, sondern besteht schon seit Jahrhunderten. Menschen haben schon immer den Wunsch gehabt, ihr Leben zu verlängern und das Altern zu verzögern. Historisch gesehen wurden viele Mythen, Legenden und sogar Rezepturen für Elixire oder magische Substanzen entwickelt, um die Langlebigkeit zu erreichen.

Allerdings hat sich in den letzten Jahrzehnten das wissenschaftliche Interesse und die Forschung im Bereich der Langlebigkeit stark intensiviert. Unter dem Buzzword „Longevity“ entsteht gerade eine ganze Industrie rund um den Wunsch nach Ewigkeit. Fortschritte in der medizinischen Forschung, Genetik, Technologie und anderen Bereichen haben dazu beigetragen, ein tieferes Verständnis der biologischen Prozesse des Alterns zu erlangen. Dies hat zu einem gesteigerten Bewusstsein für die Möglichkeiten geführt, das Altern zu beeinflussen und die Lebensspanne zu verlängern. Die effektivste Art der vorbeugenden Einflussnahme liegt dabei in allen Massnahmen des Lebenswandels, die zu einer Verbesserung des Umgangs mit Stress führen – und zahlt somit auf das Konto der Herzratenvariabilität ein.

Die Physiologie des Alterns

Altern – was ist das eigentlich? Die Physiologie des Alterns umfasst die Veränderungen, die im Körper auf zellulärer, Gewebe- und Organebene auftreten. Diese Veränderungen beeinflussen die Funktionen des Körpers und können zu einem allmählichen Abbau der physiologischen Reserve und einer erhöhten Anfälligkeit für Krankheiten führen. Hier sind einige der wichtigsten Aspekte der physiologischen Veränderungen, die mit dem Altern verbunden sind:

  1. Zelluläres Altern: Im Laufe der Zeit erfahren Zellen altersbedingte Veränderungen. Dies umfasst eine allmähliche Abnahme der Zellteilungsfähigkeit, eine Akkumulation von Schäden an der DNA und anderen zellulären Bestandteilen sowie eine erhöhte Anfälligkeit für oxidativen Stress. Diese Veränderungen können zu einer Beeinträchtigung der Zellfunktion und einem erhöhten Risiko für Krankheiten führen.
  2. Gewebe- und Organsysteme: Verschiedene Gewebe und Organsysteme im Körper zeigen im Laufe der Zeit altersbedingte Veränderungen. Beispielsweise nimmt die Muskelmasse und -kraft ab, das Bindegewebe verliert an Elastizität, die Knochenmineraldichte nimmt ab und das Herz-Kreislauf-System kann eine verringerte Effizienz aufweisen. Diese Veränderungen können zu einer Abnahme der Funktionen und einer erhöhten Anfälligkeit für altersbedingte Krankheiten führen.
  3. Immunsystem: Das Immunsystem unterliegt ebenfalls altersbedingten Veränderungen. Es kann zu einer verringerten Aktivität des Immunsystems kommen, was zu einer erhöhten Anfälligkeit für Infektionen und einer verminderten Fähigkeit, Krebszellen zu bekämpfen, führen kann. Auch Autoimmunerkrankungen sind im Alter häufiger.
  4. Hormonelle Veränderungen: Mit dem Alter können hormonelle Veränderungen auftreten. Zum Beispiel nimmt bei Frauen während der Wechseljahre die Produktion von Östrogen ab, was zu verschiedenen körperlichen und hormonellen Veränderungen führen kann. Auch beim Mann kann im Alter die Produktion von Testosteron abnehmen.
  5. Neurologische Veränderungen: Das Nervensystem unterliegt altersbedingten Veränderungen, die mit einer Abnahme der Gehirnfunktionen verbunden sein können. Dies kann zu kognitiven Veränderungen, Gedächtnisproblemen und einem erhöhten Risiko für neurodegenerative 0Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson führen.

Die Geschwindigkeit und der Grad der altersbedingten Veränderungen hängen neben der genetischen Veranlagung wesentlich von epigenetischen Faktoren, also Lebensstil, Ernährung und Umweltfaktoren ab. Eine gesunde Lebensweise, regelmäßige körperliche Aktivität, eine ausgewogene Ernährung und der Verzicht auf schädliche Gewohnheiten können dazu beitragen, den Alterungsprozess zu verlangsamen und die Gesundheit im Alter zu fördern. Kurzum: alle Massnahmen zur Erhöhung der HRV steigern die Lebenserwartung – und sind so objektiv messbar.

Biologisches Alter und Lebenserwartung

Das biologische Alter bezieht sich auf den Zustand und die Funktion des Körpers in Bezug auf das Alter einer Person. Es unterscheidet sich vom chronologischen Alter, das auf dem Kalender basiert. Während das chronologische Alter die Anzahl der Jahre angibt, die seit der Geburt vergangen sind, versucht das biologische Alter, den tatsächlichen Zustand des Körpers zu erfassen und zu bestimmen, wie gut er den alltäglichen Herausforderungen mit zunehmendem Alter gewachsen ist.

Im Allgemeinen nimmt im Alter die Anpassungsfähigkeit des autonomen Nervensystems ab: wir werden also weniger stresselastisch (siehe dazu auch: Normwerte und Interpretation der Herzfrequenzvariabilität). Die Beziehung zwischen HRV und biologischem Alter kann abweichend davon aber durch verschiedene Faktoren erklärt werden. Eine höhere HRV weist oft auf eine gute Funktion des autonomen Nervensystems hin, und damit auf die grundlegende Fähigkeit unseres Körpers, auf innere und äussere Stressoren zu reagieren. Diese Anpassungsfähigkeit steuert den fortlaufenden Ausgleich der physiologischen Teilsysteme und damit den Erhalt unserer Lebensfähigkeit. Eine anhaltende Störung dieser Regelungsfunktion mündet in chronischen Ungleichgewichten und damit in Krankheiten und erhöhten Verschleiss. Indem man sich auf die Verbesserung der HRV konzentriert, kann man also indirekt an einer Verbesserung des biologischen Alters arbeiten und die Chancen auf ein gesünderes, längeres Leben erhöhen (siehe dazu auch

Länger leben durch gesunden Stress

Gesunder Stress, der auch als „Eustress“ bezeichnet wird, bezieht sich auf eine insofern positive Form von Stress, als dass man den Körper herausfordert aber nicht überfordert. Im Gegensatz dazu kann ungesunder oder chronischer Stress, („Distress“) negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben: der Reiz auf das System ist so groß oder anhaltend, dass die Anpassung des Systems nicht ausreichend stattfinden kann. Im Ergebnis sinkt das Energieniveau und vermindert dauerhaft die körperlichen und geistigen Kapazitäten. 

Erholung geht nur nach Belastung – „ohne Fleiss kein Preis“ gilt für die physiologische Anpassung vielleicht mehr, als in anderem Zusammenhang. Trägheit und Bequemlichkeit verstärken sich hingegen selbst und münden in einem Minimum an Reserven, das irgendwann zu wenig ist. Gesunder Stress ist also wichtig, um die individuelle Resilienz zu fördern und so gesundes Altwerden zu steigern.

Leben ist Ausgleich, nicht Gleichgewicht.

Quellen:

(1) Sato, M., Betriana, F., Tanioka, R., Osaka, K., Tanioka, T., & Schoenhofer, S. (2021). Balance of Autonomic Nervous Activity, Exercise, and Sleep Status in Older Adults: A Review of the Literature. International journal of environmental research and public health, 18(24), 12896. https://doi.org/10.3390/ijerph182412896

(2) Tan, J. P. H., Beilharz, J. E., Vollmer-Conna, U., & Cvejic, E. (2019). Heart rate variability as a marker of healthy ageing. International journal of cardiology, 275, 101–103. https://doi.org/10.1016/j.ijcard.2018.08.005

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